Zazen
Was ist Zazen?
Zazen heißt Zen-Sitzen. Es ist die Zen-Meditation, die in drei Hauptstufen zur Erleuchtung führen soll. Zazen ist weder Denken noch Nicht-Denken, es ist jenseits des Denkens, reines Denken ohne persönliches Ich-Bewußtsein und in Harmonie mit dem Bewußtsein des Universums.
Die Erfahrung des Zazen ist auch keine besondere oder geheimnisvolle Erfahrung oder ein ungewöhnlicher Zustand von Körper und Geist. Sie ist die Rückkehr zum normalen Zustand des Menschen. Zazen bedeutet vertraut zu werden mit sich selbst, sein inneres Wesen zu schmecken und in Einheit mit ihm zu gelangen und sich mit dem universellen Leben zu harmonisieren.
Warum Zazen in den Kampfkünsten?
In den Kampfkünsten ist nicht nur die Technik wichtig, sondern auch die Geisteshaltung und die Atmung. In den Kampfkünsten ist es sehr nützlich die Technik gut zu beherrschen. Das wichtigste aber bleibt der Geist. Dann kommen Technik und Körper. Im Sport muß, vor allem im Westen, die körperliche Kraft am meisten ent- wickelt sein. In den Kampfkünsten ist das jedoch nicht so. In Jiu Jitsu muß der Körper gebildet werden, doch gegenüber Technik und Geist bzw. Intuition, durch welche er erst eingesetzt wird, ist er zweitrangig. Wenn eine starke Technik und ein starker Körper einander im Kampf begegnen, wird die Technik siegen. Wenn ein starker Geist einer starken Technik begegnet, wird es der Geist sein, der siegt, denn er weiß die Lücken beim Gegner zu finden. Die richtige Geisteshaltung kann ich durch Zazen üben, ebenso die Atmung. Die richtige Atmung zu können ist genauso wichtig wie die des Gegners zu erkennen. Man muß also eine Gelegenheit erfassen, wo der Gegner einatmet, denn dann bietet er eine Lücke, ein Loch. Immer gibt es beim Einatmen eine Gelegenheit, denn der Körper wird leichter und ist weniger konzentriert. Die Einatmung ist eine sehr gute Chance, die der Geist/Körper ergreifen muß. Bei der Einatmung des Gegners anzugreifen, wenn er eine schwache Stelle zeigt, einen Fehler in seiner Abwehr oder seiner Haltung, das ist das große Geheimnis.
In den japanischen Kampfkünsten wird die Atmung als essentielle Grundlage der Konzentration gesehen und gelehrt. Die Luft enthält die Energie und das universelle Leben, welche wir durch die Lunge und jede einzelne unserer Zellen empfangen. Daher ist es wichtig zu wissen, wie man atmet.
Wie sieht Zazen aus?
Um das Zazen zu erlernen, muß man einen Zen-Meister haben. Das ist eine Grundregel, die auch manche Schwierigkeit bietet, da es nur wenige bei uns in Deutschland gibt. Aber nach alter Tradition herrscht im Zen der Grundsatz, daß jeder nur durch eigene Erfahrung lernen kann und soll. Im folgenden soll darum versucht werden, möglichst konkrete Anweisungen zu geben, wie diese Übungen ohne Hilfe eines Lehrers angestellt werden können:
Die im Zazen übliche Körperhaltung beim Sitzen verursacht ganz erhebliche Schmerzen. Daher stellt sich die Frage, ob es nicht eine Körperhaltung gibt, die weniger schmerzlich ist und doch dieselben Wirkungen wie das Zazen hat. Diese Frage wird von Fachleuten nicht schlechthin negativ beantwortet. Sie sagen z.B., daß auch das japanische Suwari, gewöhnlich mit Hocken wiedergegeben, zum Ziele führen kann. Nur muß dabei der Oberkörper gerade gehalten werden, und auch die Augen müssen wie beim Zazen auf einen bestimmten Punkt gerichtet sein. Diese Haltung ist für das Meditieren viel geeigneter als manche andere, wie z.B. gerade das Knien. Man kniet sich auf eine Decke und läßt sich nach hinten hinunter, so daß man auf die eigenen Fersen zu sitzen kommt. Dabei soll die Außenseite der Fußknöchel flach auf dem Boden liegen und die großen Zehen sollen sich berühren oder auch aufeinanderliegen , so daß die Füße eine Mulde bilden. Da dieUnter schenkel flach auf dem Boden liegen und der ganze Körper sich senkrecht darüber befindet, kann der Körper sich in dieser Lage vollständig entspannen.
Da man sich in Japan allgemein an die traditionellen Formen des Zen hält, ist uns bisher kein Fall bekanntgeworden, in dem jemand durch das Suwari allein zur Erleuchtung gekommen ist. Wenn man jedoch alles beachtet, was sonst beim Zazen vorgeschrieben ist, wird man sicher eine gute Wirkung erzielen und vielleicht sogar die Erleuchtung erlangen.
Es ist auf jeden Fall anzuraten, das eigentliche Zazen zu erlernen. Denn es führt am sichersten zum Ziele und kann von jedem erlernt werden.
Man begnüge sich zunächst mit dem Hanka, d.h., man legt nur den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und nicht gleichzeitig den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Beim Hanka kann man auch wechseln, wenn nach einiger Zeit der Fuß ermüdet ist. Nachdem man das Hanka gut erlernt hat, kann man versuchen, das Kekka zu machen, d.h. gleichzeitig den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel zu legen und den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel zu legen oder umgekehrt. Obwohl das Kekka physisch viel schieriger ist als das Hanka, ist die psychologische Wirkung doch, wenigstens bei Anfängern, nicht wesentlich größer. Darum soll man ruhig beim Hanka bleiben, wenn das Kekka zu schwierig ist. Die Zen-Mönche benutzen bei der Meditation gewöhnlich das Kekka, aber es gibt auch Mönche, die sich mit dem Hanka begnügen. Es ist wichtig, daß man regelmäßig, wenn auch kurze Zeit, übt als unregelmäßig und lange.
Es ist wünschenswert, daß sowohl das Zimmer, in dem man Zazen macht, als auch die nähere Umgebung desselben möglichst ruhig ist. Dabei sind jedoch Geräusche, wie das Rauschen des Windes in den Bäumen, das Murmeln einer Quelle oder Vogelstimmen, nicht hinderlich. Im Gegenteil, sie beruhigen und helfen der Meditation. Die Naturverbundenheit ist ja ein Teil des Zen-Erlebnisses. Auf eine mehrfach gefaltete Decke legt man ein Kissen, daß rund oder viereckig sein kann und etwa 6 bis 9 Zentimeter dick sein sollte. Man setzt sich so auf das Kissen, daß die Füße vor dem Kissen auf der Decke liegen. Dann zieht man das linke Bein an. Dabei ist das linke Knie so gebeugt, daß die Außenseite die Decke berührt und der Fuß soweit wie möglich unter den andern Oberschenkel gezogen wird, ohne daß man gerade auf den Fuß zu sitzen kommt. Dann legt man den andern Fuß mit der Sohle nach oben auf den linken Oberschenkel. Will man dann das Kekka anwenden, so legt man auch den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel.
Der Oberkörper ist kerzengerade aufgerichtet, aber doch so, daß der Schwerpunkt in den Unterleib, unterhalb des Nabels, verlegt wird. Die Schultern soll man in einer normalen, gelockerten Stellung in gleicher Höhe halten. Der Kopf wird hochgehalten und das Kinn angezogen. Die Hände werden leicht vor dem Körper verschränkt. Die traditionelle Haltung besteht darin, daß man die offene linke Hand in die rechte legt, und zwar bei beiden Händen mit der Oberfläche nach unten. Die Daumen werden dabei etwas erhöht, so daß die Daumenspitzen sich berühren.
Trotz allem soll die Haltung locker und nicht verkrampft sein. Außer im Unterleib soll man nirgendwo Kraft einsetzen.
Die Augen sind geöffnet zu halten. Man blickt auf einen etwa einen Meter entfernten Punkt am Boden. Das Geöffnethalten der Augen ist beim Zazen ebenso wichtig wie die gerade Haltung. Der Blick darf aber nicht umherschweifen, der Geist muß entbildert werden.
Das Atmen ist sehr wichtig. Die Luft enthält die Energie und das universelle Leben, welche wir durch die Lunge und jede einzelne unserer Zellen empfangen. Daher ist es wichtig zu wissen, wie man atmet. Normalerweise atmen wir fünfzehn bis zwanzig Mal in der Minute – und zwar oberflächlich, da wir nur ein Sechstel der Lungenkapazität nutzen. Eine tiefe und vollständige Atmung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Brustkorb oder das Zwerchfell, sondern drückt auch auf die Eingeweide. Auf diese Weise liegt der Atemrhythmus bei fünf bis zehn Mal pro Minute und die Atmung ist lang, tief und ruhig. Die Ausatmung ist länger als die Einatmung und man übt einen Druck nach unten auf die Eingeweide aus; die Einatmung geschieht danach automatisch.
Die innere Haltung soll hier noch einmal kurz beschrieben werden. Für den Anfang ist es das beste, die Atemzüge zu zählen, aber das soll nur im Geiste geschehen. Man zählt von eins bis zehn, aber nicht weiter, sondern fängt wieder von vorne an. Das Ein- und Ausatmen wird einzeln gezählt. Man muß sich ganz auf das Zählen konzentrieren und darf sich durch nichts ablenken lassen. Man soll aber auch nicht in Gedankenlosigkeit oder Schläfrigkeit verfallen. Beherrscht man diese Methode, wechselt man zur nächsten über. Sie besteht darin, daß man das Ein- und Ausatmen nicht mehr zählt, sondern nur seine Aufmerksamkeit darauf richtet. Doch denkt man beim Einatmen nur an das Einatmen und beim Ausatmen nur an das Ausatmen. Das Ein- und Ausatmen soll gewissermaßen mit dem Geiste eins werden. Danach kommt der Endzustand. Dabei versucht man direkt und ohne Hilfsmittel nichts zu denken.
Bis man aber diesen Endzustand erreichen kann, muß man vorerst einige Wochen die anderen Methoden üben, bis man von selbst merkt, daß man die nächste Methode anwenden kann.
Wieviel Zeit man braucht um beim Zazen zu einem greifbaren Erfolg zu kommen, läßt sich nicht einfach in Zahlen ausdrücken. Es hängt von jedem einzelnen ab. Je eifriger man übt, um so schneller kommt man ans Ziel.
Ein gläubiger Christ wird vielleicht gefühlsmäßige Bedenken haben, sich so weit in den Bereich einer anderen Religion hineinzuwagen. Doch dieser Einwand ist unbegründet, weil es sich beim Zazen nicht um irgendeinen Glaubensinhalt handelt, sondern nur um die Auswertung natürlicher Seelenkräfte.